Herzlich willkommenNeue Bibliotheksleitung Dr. Isabelle Tannous im Interview
3. Februar 2025, von Zsuzsa Becker
Seit dem 2. Januar 2025 ist Dr. Isabelle Tannous neue Leiterin der Bibliothek für Geisteswissenschaften. Im Interview erzählt sie, was ihre Pläne sind und worauf sie sich in Hamburg am meisten freut.
Du warst zuvor Koordinierende Leiterin der Informationsinfrastruktur der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin. Was hat dich bewogen, zu uns nach Hamburg zu kommen und die Leitung unserer Bibliothek GW zu übernehmen?
Dafür gibt es gleich mehrere Gründe! An der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), einer Ressortforschungseinrichtung des Bundes, habe ich einen umfangreichen Veränderungsprozess durchgeführt: aus einer ehemaligen Fachinformationsabteilung mit ca. 35 Personen wurde ein innovativer forschungsunterstützender Bereich, in dem die Services von Bibliothek, Publikationsdiensten, Fachinformation und einer Data Science Unit sowie der Wissenswerkstatt als Lern- und Kommunikationsort in der Bibliothek Hand in Hand ineinandergreifen. In den letzten Jahren ist uns im Bereich ein Kulturwandel und Generationenwechsel gelungen, sodass die Kolleg:innen heute gut für die Zukunft aufgestellt sind – und ich guten Gewissens nach Hamburg zurückkehren konnte. 2015 habe ich hier im Pferdestall meine Promotion verteidigt, um dann in Berlin mit dem berufsbegleitenden Studium der Informations- und Bibliothekswissenschaften endgültig in die Informationsinfrastruktur und das Wissensmanagement zu wechseln.
Und als wären die schöne Stadt und die schönen Künste nicht Grund genug zurückzukehren: Besonders reizvoll finde ich, dass die Rahmenbedingungen an der UHH für die Weiterentwicklung von Bibliotheken durch den Prozess der Neuausrichtung des Systems der Informationsversorgung, -verarbeitung und -bereitstellung – die sogenannten 3i – momentan besonders gut sind.
Universitäre Bibliotheken stehen heute vor neuen Anforderungen und großen Veränderungen. Welche spezifischen Herausforderungen siehst du auf uns zukommen?
Ich würde das noch ein bisschen größer denken: Die Digitalität in der Forschung – und zunehmend auch gesellschaftliche Umbrüche – fordern Universitäten heute in ihrer Gesamtheit heraus. Und damit eben auch ihre Bibliotheken. Meiner Erfahrung nach können gerade Bibliotheken wichtige Akteure in komplexen Change-Prozessen sein. Sie verfügen über langjährige Expertise etwa beim Umgang mit großen Datenmengen und dem Metadatenmanagement, bei der Langzeitarchivierung und Versionierung von digitalem Content und beim Open Access Publizieren – und auch mit ihren Räumen öffnen sie wichtige Kommunikationsräume auf dem Campus.
Eine der größten Herausforderungen sehe ich in der Frage, welche Services künftig zentral, welche dezentral aufgesetzt werden und wie sich die verschiedenen Einrichtungen auf dem Campus hier bestmöglich komplementär unterstützen können. Dazu zählen nicht allein ein neues Governancesystem, sondern auch neue Formen des Arbeitens in verteilten Infrastrukturen. Meiner Erfahrung ist hier das Vertrauen in die Zusammenarbeit wichtiger als detaillierte Fünfjahrespläne.
Die Fachbibliotheken spielen eine zentrale Rolle an unserer Fakultät. Wie siehst du Ihre Bedeutung und was möchtest du besonders hervorheben und stärken?
Die Geisteswissenschaften zeichnen sich durch eine ganze Reihe von Besonderheiten aus, die mitunter bei der Konzipierung von uniweiten Infrastrukturen bis hin zu Berichtswesen und Wissenschaftsevaluation zu kurz kommen. Zwei Beispiele aus der Publikationspraxis sind digitale Editionen oder die besondere Rolle von Monografien für die Disziplin. Damit meine ich nicht nur das Print oder digital vorliegende Buch selbst, sondern ausdrücklich auch die Open Access-Förderung von Monografien und die Bereitstellung von digitalen Infrastrukturen, z.B. für Netzwerkgrafen oder die multimodale Repräsentation historischer Kulturgüter.
Anders als die SUB und das ZFDM sind Mitarbeitende von Fakultäts- und Fachbibliotheken besonders nah dran an ihren Nutzenden in den Standorten. Daher halte ich die Fachbibliotheken für immens wichtig, wenn es darum geht die disziplinspezifischen Interessen ihrer Fakultäten und Forschenden an den verschiedenen Schnittstellen einzubringen – sei es bei der Entscheidung über Campus-Lizenzen für die Literaturversorgung, der Konzeption von maßgeschneiderten Informationskompetenzangeboten oder dem Sichtbarmachung der Forschungsergebnisse der Fachbereiche. Toll finde ich natürlich auch unsere Räume. Die Philturmbibliothek verfügt derzeit über 700 Arbeitsplätze für Studierende und wird so zu einem neuen Wissenshub auf dem Campus.
Gibt es bestimmte Initiativen oder Projekte, die du als erstes in Angriff nehmen wirst?
Mich beeindruckt sehr, was hier seit dem Umzug im Herbst 2023 in den Philturm vom Kollegium geleistet wurde – und was bereits in der Pipeline ist. Daher möchte ich mir jetzt vor allem die Zeit nehmen, die Menschen in der Bibliothek besser kennenzulernen und die Ideen für die Zukunft mit unseren verschiedenen Nutzendengruppen zu diskutieren. Meine Rolle als Leitung sehe ich nicht allein als Impulsgeberin, sondern vor allem auch darin den Rahmen zu gestalten, der es Mitarbeitenden ermöglicht projektbezogen und selbstorganisiert verschiedene Vorhaben auf den Weg zu bringen. Obenauf liegt weiterhin die Vollendung des Umzugs, um das Forschen und Studieren in unseren Räumen noch angenehmer zu machen.
Und natürlich hoffe auch ich jetzt auf eine Lösung für die Doppelnutzung der Bibliotheksräume, die momentan zusätzlich auch als Seminarräume genutzt werden. Eine sowohl für Lehrende als auch für Bibliotheksnutzende gleichermaßen schwierige Situation. Hier hoffen wir, dass sich die Raumsituation zumindest mittelfristig entspannen wird. Ideen für die Raumnutzung gibt es genug: Unsere Räume werden von den Studierenden bereits so gut angenommen, dass wir die Zahl der Arbeitsplätze und insbesondere der Gruppenarbeitsräume gern erhöhen wurden. Einzigartig sind auch die Bestände für Grafische Literatur und Kartografie. Hier kann ich mir die Präsentation und das Arbeiten mit den Beständen, gern auch digital unterstützt, in einem eigens dafür eingerichteten Raum sehr gut vorstellen.
Ein Herzensanliegen ist der Ausbau der forschungsnahen Services. Hier ist unglaublich viel Potenzial, wie die Initiativen rund um das DH Lab zeigen. Die Philturmbibliothek kann ein zentraler Knotenpunkte zur SUB und dem ZFDM werden, wenn es darum geht passgenaue Beratungs- und Unterstützungsangebote für die Geisteswissenschaften aufzubauen und diese eng mit der Digitalstrategie der Fakultät zu verzahnen.
Um dich besser kennenzulernen: Könntest du uns etwas über deine Interessen außerhalb des Berufsalltags erzählen?
Zurück in Hamburg genieße ich es momentan, am Wochenende durch die Stadt zu flanieren und auf einen der verschiedenen Wochenmärkte zu gehen. Die Vielfalt und Regionalität der Märkte hier ist selbst zu dieser Jahreszeit besonders. Und bei den Stadtspaziergängen lässt sich der Wandel in Hamburg und seinen verschiedenen Stadtteilen besonders gut wahrnehmen.
Zum Abschluss interessiert uns deine persönliche Leseliste: Was liegt auf deinem Stapel ungelesener Bücher?
Ich gehöre zu den Menschen, die heute privat weitaus weniger lesen als noch vor einiger Zeit. Das liegt sicherlich auch daran, dass das Medienangebot vielfältiger geworden ist. Auch ich tauche in Serienwelten ein und höre Podcasts. Das sieht man auch an meinem Bücherregal zu Hause: Da überwiegen eindeutig Kochbücher aus aller Welt. Gleichzeitig ist es wohltuend, nach der Screenzeit ein haptisches Buch in der Hand zu haben. Aktuell ist das gerade von Caroline Peters „Ein anderes Leben“, in dem es um sehr viel Liebe zwischen Zorn und Schuld geht.