Neue Leitung des Digital Humanities Labs„Diese Begegnungen fördern neue Ideen, stärken das Verständnis und ermöglichen gegenseitiges Lernen“
4. August 2025, von Zsuzsa Becker

Foto: DH-Lab
Seit Juli 2025 ist Dr. Jan Horstmann neuer wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Fakultät für Geisteswissenschaften und Leiter des Digital Humanities Labs. Im Rahmen des Interviews spricht er über die kommenden Projekte und seine Pläne für die Weiterentwicklung der Digital Humanities an der Fakultät.
Du warst zuvor Leiter des Service Center for Digital Humanities an der Universität Münster. Was hat dich bewogen, zu uns nach Hamburg zu kommen?

Foto: privat
Hamburg ist für mich eine Heimkehr, da ich hier bereits mein Masterstudium und meine Promotion gemacht und danach als Postdoc das Projekt forTEXT koordiniert habe. Mein Herz hat auch in den fünf Jahren, die ich nicht hier gewohnt habe, nie aufgehört, für diese wundervolle Stadt zu schlagen. Aber auch inhaltlich finde ich den Wechsel zurück an eine Fakultät vielversprechend. Das SCDH Münster berät und begleitet mit seinem Team aus Research Software Engineers Forschungsvorhaben aus allen geisteswissenschaftlichen Disziplinen. Es ist angesiedelt an der Universitäts- und Landesbibliothek, also einer zentralen Infrastruktureinrichtung, die den Fokus auf langfristige Lösungen hat. An diesen Einrichtungen wird sehr herausfordernde, fundamental wichtige Arbeit geleistet, die häufig zu wenig Wertschätzung erfährt, ohne die ein Großteil der Forschung aber gar nicht umsetzbar wäre. Gleichzeitig ist es Mitarbeitenden an diesen Einrichtungen nicht möglich, eigene Forschungsschwerpunkte auszuprägen oder selbstständig Drittmittelprojekte zu beantragen. Ich komme nun also mit neuer Hochachtung für Infrastrukturarbeit zurück nach Hamburg und mit Ideen, auch stärker ein eigenes Forschungsprofil auszuprägen.
Das Digital Humanities Lab dient der interdisziplinären Vernetzung im Bereich Digital Humanities an der UHH. Wie möchtest du diese interdisziplinäre Zusammenarbeit fördern und die Infrastruktur des DH-Labs weiter ausbauen?
In meiner langjährigen Beratungsarbeit habe ich gelernt, wie wichtig es ist, eine gemeinsame Sprache zu finden. In den digital transformierten Geisteswissenschaften rücken Disziplinen zwangsläufig enger aneinander und treten in einen Austausch. Dabei spielen Vorbehalte häufig eine Rolle und es kommt schnell zu Missverständnissen, wenn man den kommunikativen Verständigungsschritt überspringt. Zentral ist natürlich die Zusammenarbeit mit Personen aus den informations- oder computerwissenschaftlichen Disziplinen. Dabei ist es aber wichtig, auch die eigene geisteswissenschaftliche Fachkompetenz einzubringen (die Informatik nennt das „Domänenexpertise“ und ohne die geht es nicht). Häufig entstehen durch diese Begegnungen neue Ideen für gemeinsame Forschungsprojekte, das Verständnis füreinander kann gestärkt werden und man kann voneinander viel lernen. Das Digital Humanities Lab der UHH scheint mir ein idealer Ort für eine Strukturierung solcher Begegnungen und um voneinander zu lernen. Dabei möchte ich etablierte Formate wie die angebotenen Workshops beibehalten und verstärkt darauf achten, die verschiedenen Zielgruppen von Studierenden, Lehrenden und Forschenden dezidiert anzusprechen.
Im Zuge der Digitalstrategie hat die Fakultät ein Digital Office Humanities eingerichtet, das das DH-Lab, die IT GW, das DL-Büro und das Medienzentrum mit ihren unterschiedlichen Kompetenzen unter einem Dach vereint. Wie siehst du deine Rolle innerhalb des DOH?
Das Digital Humanities Lab hat in dieser Konstellation eine doppelte Funktion: Es ist eine eigene Säule des DOH und gleichzeitig auch für die Vernetzung zwischen den vier genannten Säulen in der gesamten Fakultät zuständig. Meine Rolle wird also vermutlich vor allem kommunikativen und verbindenden Charakter haben.
Gibt es bestimmte Initiativen oder Projekte, die du als erstes in Angriff nehmen wirst?
Zunächst möchte ich mich mit den lokalen Strukturen vertrauter machen und darin zentrale Personen kennenlernen. Ich bin niemand, der seine eigenen Ideen überall drüber stülpt, komme, was da wolle, sondern ich möchte Formen erarbeiten, die zu den lokalen und persönlichen Anforderungen der beteiligten Statusgruppen passen. Dennoch stehen einige Dinge natürlich schon fest: Ich werde die Veranstaltungen im DH-Lab koordinieren, Projekte beraten, selbst Digital-Humanities-Seminare anbieten, ein DH-Zertifikat und auch einen DH-Masterstudiengang entwickeln.
Was begeistert dich an der Idee, ein Digital Humanities-Zertifikat und einen neuen Studiengang zu entwickeln?
Es freut mich, dass an immer mehr Standorten derartige Initiativen entstehen. Als jemand, der selbst an der UHH angefangen hat, sich mit DH auseinanderzusetzen und in diesem Bereich zu arbeiten, freut es mich riesig, dass unsere Universität jetzt soweit ist, DH auch in der Lehre zu verankern und damit junge Menschen auf ihr Berufsleben vorzubereiten oder sogar neue Forschende hervorzubringen. Die Kombination aus Zertifikat und Studiengang erscheint mir dabei ziemlich ideal, da sie unterschiedliche Grade des Commitments interessierter Studierenden ermöglichen.
Auf welche spannenden Veranstaltungen des DH-Labs können sich die Mitglieder der Fakultät im kommenden Wintersemester freuen?
Hier springe ich sozusagen auf einen fahrenden Zug auf: Heike Zinsmeister wird wieder ihren Workshop „KI, wie geht das?“ und auch einen internen KI-Workshop für den Mittelbau der Evangelischen Theologie anbieten (ja, das Lab kann auch für interne Workshops gebucht werden). Und auch Edyta Jurkiewicz-Rohrbacher wird wieder ihren bereits gut etablierten Sketch-Engine-Workshop anbieten. Zusätzlich wird es ein DH-Retreat in der vorlesungsfreien Zeit für die Promovierenden des Exzellenzclusters geben. Gern möchte ich auch noch den ein oder anderen Gastvortrag organisieren, da sich dieses Format so gut für eine überregionale Vernetzung anbietet.
Abschließend interessiert uns natürlich, woran du persönlich momentan forschst. Kannst du uns Einblick in deine aktuellen Forschungsprojekte geben?
Aus meiner Zeit am SCDH bringe ich den Plan mit, ein Tool zur Annotation intertextueller Bezüge zu entwickeln. Dazu möchte ich in den kommenden Monaten einen Antrag vorbereiten, da wir festgestellt haben, dass es nicht möglich ist, diese Entwicklung nebenbei ohne finanzielle und damit personelle Kapazitäten zu bewältigen. Ich bin im Austausch mit mehreren Intertextualitäts-Forschenden im deutschsprachigen Raum und die Idee ist, dass ein generisches Tool entsteht, das die Bedarfe verschiedener Forschungsprojekte bedienen kann. In theoretischen und konzeptionellen Vorarbeiten habe ich schnell festgestellt, dass Intertextualität ein weites Feld ist. Genau deshalb finde ich es aber so spannend und interdisziplinär fruchtbar.
Natürlich habe ich auch noch andere Projektideen im Köcher, die sind momentan aber noch nicht so spruchreif, als dass ich darüber in einem öffentlichen Interview fabulieren würde. In jedem Fall freue ich mich auf spannende Kooperationen, fruchtbare Begegnungen, neue Ideen und gemeinsames Forschen, Lehren und Lernen in den kommenden Jahren.
Zur Person
Dr. Jan Horstmann ist germanistischer Literaturwissenschaftler und hat 2016 an der Universität Hamburg mit einer Dissertation zur Theaternarratologie bei Prof. Dr. Jan Christoph Meister und Prof. Dr. Inke Gunia promoviert. Anschließend war er u.a. Projektkoordinator des DFG-Projekts „forTEXT. Literatur digital erforschen“ und seit 2021 Leiter des Service Center for Digital Humanities (SCDH) an der Universität Münster.