Fall School 2023 in Manuscript Studies des Hiob-Ludolf-Zentrums für Äthiopistik

Foto: UHH
Regelmäßig veranstaltet das HLCEES Workshops zur Handschriftenkatalogisierung und -digitalisierung in Äthiopien und bietet Einführungen in die Erforschung der äthiopisch-eritreischen Manuskriptkultur in Kooperation mit lokalen Akteur:innen zur Erfassung und zum Schutz der äthiopisch-eritreischen Manuskripte an.
Im Herbst 2023 veranstaltete das Hiob-Ludolf-Zentrum für Äthiopistik eine Fall School in Addis Abeba, an der mehr als 30 Äthiopier:innen teilnahmen. Es wurden insbesondere zwei Themen behandelt: Bei der Handschriftenkatalogisierung handelt es sich um die wissenschaftliche Erfassung und Erschließung von Handschriften als ersten Schritt zu besserer Aufbewahrung und Erforschung. Eine einfachere Form der Katalogisierung ist die Erstellung kurzer Handschriftenverzeichnisse („Inventare“), bei denen nur einige wesentliche Merkmale der Handschriften aufgenommen werden. Wenn umfassende Kataloge fehlen, können auch die kurzen Handschriftenverzeichnisse für die Verwaltung der Handschriftenbestände von großer Hilfe sein. Diese Methode wird angewendet, wenn es nötig ist, eine große Anzahl von Handschriften schnell zu erfassen.
Ein weiteres Thema war die Digitalisierung der Handschriften. Die Digitalisierung stellt eine weitere Stufe der Erfassung der Handschriftenbestände dar und ist besonders hilfreich in Gebieten, in denen andere Maßnahmen kaum möglich sind, z. B. aufgrund einer großen Anzahl von Handschriften, der schwierigen Zugänglichkeit der Handschriftensammlungen, instabiler politischer Lagen sowie rechtlicher oder religiöser Einschränkungen. Bislang sind nur einige Tausend der äthiopischen Handschriften digitalisiert worden. Die Handschriftendigitalisierung in Äthiopien kann meist nur vor Ort in den Institutionen erfolgen, die die Handschriften besitzen, d. h. in Kirchen und Klöstern. Die Digitalisierungsveranstaltungen des HLZ vermittelten den lokalen Akteuren Kenntnisse über Digitalisierungstechnik und Arbeitsabläufe, die einfach, aber effektiv und auf die Bedürfnisse des Landes zugeschnitten sind.
Auch im November 2023 hielt Dr. D. Nosnitsin, ein Mitarbeiter des HLZ, einen zusätzlichen Workshop direkt in der Krisenregion Tigray, in der Kirche Taqot Maryam (in der Nähe der Stadt Adigrat), für die Mitglieder der lokalen Universität, der Kirchenverwaltung und der Mitarbeiter:innen der lokalen Kulturbehörde ab. Das Hauptthema des Workshops war die Erstellung von kurzen Handschriftenverzeichnissen.
Aufbauend auf den Ausbildungsereignissen unternahm eine Gruppe lokaler Aktiviste:innen in Nordäthiopien (Tigray) in den Jahren 2023 und 2024 mehrere Reisen zu Kirchen und Klöstern, um die Handschriftenbestände durch kurze Verzeichnisse zu erfassen. Die Aktivitäten wurden vom Projekt „Beta maṣāḥǝft“ und vom Exzellenzcluster „Understanding Written Artefacts“ unterstützt. Die Katalogisierungsgruppe bestand in der Regel aus drei Mitgliedern; vor Ort schlossen sich der Gruppe weitere Helfer an. Im Jahr 2023 wurden die Handschriftenbestände von zwei Kirchen erfasst (27 Handschriften); im Jahr 2024 wurden insgesamt 8 Kirchen und Klöster besucht (235 Handschriften erfasst).
Die Arbeit stellt eine neue Kooperationsform dar und erfordert von allen Beteiligten intensive Kontakte und einen Informationsaustausch. Da vor Ort nicht selten historische Materialien verschiedener Art vorgefunden werden, ist für die Erstellung der historischen Profile der Institutionen und ihrer Handschriftensammlungen ein interdisziplinärer Dialog notwendig. Das Material wird schrittweise in die Datenbank des Projekts „Beta maṣāḥǝft“ eingearbeitet. Das Hiob-Ludolf-Zentrum für Äthiopistik spielt bei dieser Arbeit als langjähriger und sicherer Aufbewahrungsort für Informationen eine wesentliche Rolle.
Die Mitarbeiter des Hiob-Ludolf-Zentrums stehen den lokalen Initiativen mit ihrem detaillierten Wissen über die äthiopische Manuskriptkultur und Geschichte sowie über Katalogisierungsmethoden beratend zur Seite.
Summer Schools des Hiob-Ludolf-Zentrums für Äthiopistik
Seit 2016 veranstaltet das Hiob-Ludolf-Zentrum für Äthiopistik in Kooperation mit einigen anderen Institutionen jährlich „Summer Schools“, die eine Einführung in die Erforschung der äthiopisch-eritreischen Manuskriptkultur anbieten. Eines der Ziele dieser Ausbildungsereignisse ist es, die Übertragung des Wissens an ein möglichst breites Publikum zu ermöglichen. Unter den Teilnehmer:innen sind nicht nur Akademiker:innen und Nachwuchswissenschaftler:innen, sondern auch Vertreter:innen der äthiopisch-orthodoxen Kirche sowie Mitarbeiter:innen aus den Behörden, die für die Aufbewahrung des Kulturerbes des Landes zuständig sind.
Nur ein geringer Anteil der äthiopisch-eritreischen Handschriften ist bis heute erfasst und katalogisiert. Die im Land verbleibenden Handschriften werden durch unangemessene Aufbewahrungsbedingungen, immer wieder aufflammende Konflikte und illegalen Antiquitätenhandel bedroht. Trotz der Bemühungen der letzten Zeit verfügen sowohl Äthiopien als auch Eritrea nicht über genug Fachkräfte und technische Mittel, um ihre eigenen Handschriftenschätze zu verwalten oder ausreichend zu schützen. Der Krieg von 2020 bis 2022 in Nordäthiopien (Tigray) hat gezeigt, dass die Lage des lokalen Kulturerbes äußerst prekär ist. Immer mehr Äthiopier:innen erkennen, wie dringend die Aufgabe der Erfassung und des Schutzes der Handschriften ist, und suchen verzweifelt nach Lösungen. Die Wissenschaftler:innen der Hamburger Äthiopistik nehmen die Sorgen und Bedürfnisse der Gesellschaft in Äthiopien wahr und tragen ihren Teil zur Verbesserung der Situation bei.
Weitere Information:
- https://www.aai.uni-hamburg.de/en/ethiostudies/service/summerschools.html
- https://www.aai.uni-hamburg.de/en/ethiostudies.html
- https://www.betamasaheft.uni-hamburg.de/news/20231118.html