Gender Lectures III: Männlichkeit(en): Krisendiskurse & Konfliktfelder
Wintersemester 2014/2015
Gender Lectures III: Männlichkeit(en): Krisendiskurse & Konfliktfelder
Männer haben‘s schwer – nicht erst seit Herbert Grönemeyers Kultsong von 1984 wird gerne mit ironischem Unterton über männliche Befindlichkeiten und Rollenmuster in der Gegenwart gesprochen. Doch in welchem Verhältnis stehen eigentlich diese Krisendiskurse zur Vielfalt der männlichen Lebensrealitäten sowohl in historischen als auch in gegenwärtigen sozialen Kontexten? Wie sieht die Bandbreite an Leitideen von Männlichkeit(en) aus, welche Erwartungen werden an den Mann gestellt? Und warum greifen sowohl Männer als auch Frauen trotz anderer Wunschvorstellungen von Liebe, Partnerschaft und Generativität oftmals auf eigentlich veraltet scheinende Konzepte von Geschlecht und hegemonialen Rollenbildern zurück?
Prof. Dr. Jürgen Martschukat/ Erfurt:
Männerkrisen – historisierende Beobachtungen einer aktuellen Diagnose
Vortrag
11. Dezember 2014, 18-20 Uhr, Edmund-Siemers-Allee 1 (West), Raum 120
Männer in modernen Gesellschaften scheinen eigentlich immer in der Krise zu sein. Seit dem späteren 19. Jahrhundert ist in schöner Regelmäßigkeit die aufgeregte Rede zu vernehmen, dass Männer und deren Männlichkeit gerade eine tiefe Krise durchliefen, die zudem die gesamte Gesellschaft erschüttere und in ihren Grundfesten gefährde.
In seinem Vortrag wird Jürgen Martschukat, Professor für Nordamerikanische Geschichte an der Universität Erfurt, diese Krisenrede geschlechter- und körpergeschichtlich unter drei Aspekten genauer betrachten. Zunächst fragt er aus intersektionaler Perspektive und vor allem mit Blick auf die USA, von wem eigentlich genauer die Rede ist, wenn beklagt wird, dass Männer und deren Männlichkeit in der Krise seien. Zweitens lotet er aus einer diskursanalytischen Perspektive aus, welche Wirkungsweisen die Rede von der Männer- und Männlichkeitskrise eigentlich für wen hat. Und zuletzt diskutiert er aus körpergeschichtlicher Perspektive, wie mit anschwellenden Krisenklagen häufig eine Mobilisierung maskuliner Körperlichkeit einhergeht. Über die Diskussion dieser drei Aspekte hat der Vortrag das Ziel, das oft so aufgeregte Krisengerede und den jüngst wieder sehr ausgeprägten Körperkult zusammenzudenken und an jene Transformationen der Geschlechter- und Gesellschaftsordnung rückzukoppeln, die sich seit den 1970er Jahren vollzogen haben.
Workshop
12. Dezember 2014, 10-13 Uhr, Edmund-Siemers-Allee 1 (West), Raum 220
Der Workshop wird Fragen des vorangegangenen Vortrags aufgreifen und diese zugleich auf ein weiteres Feld beziehen, nämlich dem von Familienleben und Erwerbsarbeit.
Anmeldungen für den Workshop werden erbeten an: sanja.ewald@uni-hamburg.de
Prof. Dr. Sylka Scholz, Jena:
Männer, Partnerschaft, Liebe und Generativität – ein Konfliktfeld?
Vortrag
22. Januar 2015, 19-21 Uhr, Von-Melle-Park 8, Cafe nur für Gäste
Frauen und Männer wünschen sich heute in hohem Maße eine gleichberechtigte Partnerschaft und eine aktive Elternschaft, dies belegt eine Vielzahl von soziologischen Untersuchungen. Fragt man jedoch nach der Umsetzung dieser Lebensorientierung, dann zeigt sich, dass insbesondere beim männlichen Geschlecht eine erhebliche Lücke zwischen Lebensideal und Lebensrealität klafft. So gelingt es etwa niedrig qualifizierten Männern oftmals nicht, eine stabile Partnerschaft aufzubauen und Vater zu werden. Männer aus der Mittelschicht unterstützen zwar das Gleichheitsideal, überlassen aber häufig ihrer Partnerin Hausarbeit und Kindererziehung. Was sind die Ursachen für diese Phänomene? In ihren Forschungen hat sich Sylka Scholz, Professorin für Soziologie an der Universität Jena, intensiv mit diesen Fragen beschäftigt. In ihrem Vortrag und im moderierten Gespräch mit dem Publikum wird sie die Frage diskutieren, welche kulturellen Leitideen von Männlichkeit der Umsetzung dieser Wünsche entgegenstehen. Wie könnte der in der bürgerlichen Gesellschaft mit Weiblichkeit konnotierte Bereich des privaten Lebens, wie können Partnerschaft, Liebe und Generativität zu einer ‚männlichen‘ Angelegenheit werden?
She She Pop:
Frühlingsopfer
Performance
15./16./17. Januar 2015 (am 16.Januar mit Publikumsgespräch), jeweils 20 Uhr, Kulturfabrik Kampnagel, Jarrestraße 20, 22303 Hamburg
Gemeinsam mit den eigenen Müttern wird das feministische Performance-Ensemble She She Pop das Stück Frühlingsopfer nach Igor Strawinskis „Le Sacre du Printemps“ aufführen. Im Mittelpunkt der Performance steht die Frage nach dem weiblichen Opfer in der Familie und in der Gesellschaft. Dafür überblenden She She Pop bewusst die religiöse Sphäre des rituellen Menschenopfers aus „Le Sacre du Printemps“ mit der ethischen Frage des persönlichen Verzichts zwischen Frauen und Männern sowie zwischen Müttern und Töchtern. Diese Überlagerung erzeugt sofort Widerwillen: Sich als Frau für andere aufzuopfern, ist Programmpunkt eines heute als veraltet geltenden Normenkatalogs. Die überragende Bedeutung von Selbstermächtigung und persönlicher Freiheit hat alle Akte des Verzichts und der Hingabe in ein obskures Licht verrückt. Das archaische Frühlingsopfer dagegen steht für die Gewissheit, dass jede Gemeinschaft Opfer fordert, ja sogar erst um das gemeinsame Opfer herum entsteht und bestätigt wird. In der Überlagerung dieser Sphären sehen She She Pop die Möglichkeit, ein Thema zu entwickeln, das stumm zwischen den Generationen steht.